Das Lebenswerk von Annelise Kretschmer
LWL-Museum für Kunst und Kultur
Bildnis Christiane Kretschmer, um 1965. Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-MKuK. Reproduktion: LWL/Hanna Neander
Annelise Kretschmer. Bildnis Annelise Kretschmer mit Kamera. 1928. © Nachlass Annelise Kretschmer. LWL-MKuK. Reproduktion: LWL/Hanna Neander
Annelise Kretschmer. Frau mit Hut. 1930. Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-MKuK. Reproduktion: LWL/Hanna Neander
Ausgabe 2/2022 – Autorin: Anna Thiemann
Annelise Kretschmer (1903–1987) hat in mehrerlei Hinsicht Pionierarbeit geleistet: Ihre fotografischen Arbeiten fanden schon in der Weimarer Republik internationale Anerkennung, außerdem war sie nicht nur eine der ersten Frauen, die in Deutschland ein eigenes Fotoatelier eröffneten, sondern auch Alleinverdienerin einer sechsköpfigen Familie. In ihrem großbürgerlichen Elternhaus kam Kretschmer früh mit der Kunst der Neuen Sachlichkeit in Berührung und bereiste das europäische und außereuropäische Ausland. Nach einem Rendezvous mit der Reise- und Stadtfotografie konzentrierte sie sich vor allem auf Porträts und fotografierte Arbeiter, Bauern, Künstler, Industrielle und insbesondere Kinder, die sie als eigenständige Persönlichkeiten wahrnahm.
Die Karriere der gebürtigen Dortmunderin begann vor rund 100 Jahren mit einem Volontariat in einem Essener Fotoatelier und einem Berufspraktikum bei Franz Fiedler in Dresden. Ihr Talent wurde nicht nur von Fiedler, dessen Meisterschülerin sie wurde, sondern auch auf der internationalen Bühne früh erkannt und wertgeschätzt. In den 1930er Jahren sah sich die Tochter eines jüdischen Kaufmanns jedoch antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt und konnte ihre Arbeit nur unter erschwerten Bedingungen fortsetzen. Ihr im Krieg zerstörtes Dortmunder Atelier wurde 1950 wiedereröffnet. In ihrer Paradedisziplin ging es Kretschmer stets darum, die individuelle Persönlichkeit ihres Gegenübers einzufangen. So stellte sie 1982 rückblickend fest: „Die eigentliche Schwierigkeit bei der Portraitphotographie ist es, den Menschen zu einer Selbstdarstellung zu bewegen, in der seine wesentlichen Charakterzüge zum Ausdruck kommen.“ Getreu diesen Mottos verzichtete die Fotografin auf Requisiten und Inszenierungen und brachte ihre Kundschaft mit zwischenmenschlichem Gespür dazu, ihre Nervosität abzulegen und authentisch vor der Kamera zu agieren. Das LWL-Museum hat 2019 den Nachlass dieser Ausnahmefotografin erworben und widmet ihrem Lebenswerk nun eine umfassende Sonderausstellung.
Der Augenblick: Die Fotografin Annelise Kretschmer
06.05.–14.08.22
LWL-Museum für Kunst und Kultur
Domplatz 10
48143 Münster
Tel. 0251-5907201
Di–So 10–18 Uhr
www.lwl-museum-kunst-kultur.de